Hat eine Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung noch keine Berufsausbildung absolviert, kann nicht von ehebedingten (beruflichen) Nachteilen ausgegangen werden

Beschluss des OLG Hamm vom 29.03.2012
Az.: 2 UF 215/11

Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung nachehelichen Unterhaltes. Die Parteien schlossen 1985 die Ehe, welche 2011 rechtskräftig geschieden wurde. Aus der Ehe sind 1987 geborene Zwillinge hervorgegangen. Aus einer früheren Ehe (geschieden 1981) brachte die Antragsgegnerin zudem zwei weitere Kinder mit in die Ehe. Das Amtsgericht hatte der Antragsgegnerin 61,00 € nachehelichen Unterhalt zugesprochen, welcher bis 2014 befristet ist. Hiergegen legte die Antragsgegnerin, welche kostenlos das ehemalige Familienheim bewohnt, Beschwerde ein und machte ehebedingte Nachteile in der eigenen Berufsausübung, sowie zu berücksichtigende Mehrarbeit des Antragsstellers in der Berechnung des Unterhaltes geltend.

Begründung:
Das Gericht hat der Beschwerde der Antragsgegnerin teilweise stattgegeben.
Das Maß und damit die Höhe des nachehelichen Unterhaltes berechnet sich gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den vormals ehelichen Lebensverhältnissen. Der Antragssteller arbeitet als Bauleiter im Rohrleitungslabor, eine Tätigkeit, welche berufstypisch Mehrstunden beinhaltet. Überstunden, die in geringen Umfang anfallen oder berufstypisch sind, sind allerdings bei der Berechnung des Einkommens zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Überstunden des Antragsstellers aus dem Jahr 2011, da diese so hoch waren, dass sie nicht mehr als berufstypisch gelten konnten.
Weiterhin musste sich die Antragsgegnerin fiktive Erwerbseinkünfte zurechnen lassen, da sie (trotz fehlender Ausbildung, auch im Alter von 57 Jahren und bei körperlichen Einschränkungen) einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1211€ hätte nachgehen können. Zudem konnte die Antragsgegnerin auch trotz ihrer Darlegungs- und Beweispflicht nicht nachweisen, dass sie sich bemüht hatte, eine entsprechende Anstellung zu finden, zumal die Trennung vom Antragssteller bereits 2003 stattgefunden hatte und sie dementsprechend seitdem angehalten war, sich um eine Arbeitstätigkeit zu bemühen.
Bezüglich einer Befristung des nachehelichen Unterhaltes aus Billigkeitsgründen nach § 1578 b BGB sah das Gericht auf Seiten der Antragsgegnerin zwar keine Nachteile zur Sicherung des Eigenunterhaltes, welche sich aus der Ehe ergeben hätten, denn es gab keine plausiblen Entwicklungsmöglichkeiten für die berufliche Zukunft der Antragstellerin, wäre diese die Ehe nicht eingegangen. Allerdings bestand zwischen den Parteien auch aufgrund der Ehedauer von 21 Jahren eine nacheheliche Solidarität, weswegen das Gericht den Unterhaltsanspruch bis zum Jahr 2015 befristet hat.