Keine Anwendung von EU-Recht bei Kindesverzug von Deutschland in einen Nicht-EU Mitgliedsstaat

OLG Stuttgart Senat für Familiensachen, Urteil vom 12.04.2012
Az.: 17 UF 22/12

Vor dem OLG Stuttgart stritten die beteiligten Eltern um das Umgangsrecht für ihre im April 2005 geborene Tochter. Beide Eltern lebten seit Sommer 2006 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland. Seit August 2006 lebten beide Elternteile voneinander getrennt. Das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter wurde durch Beschluss vom Oktober 2010 auf den Vater übertragen und das Umgangsrecht ist durch ein Urteil des Familiengerichts Stuttgart im Oktober 2008 geregelt worden.

Im September 2011 beantragte die Kindesmutter eine Neuregelung des Umgangsrechts. Nach Zustellung des Antrages verzog der Vater mitsamt der Tochter in die Türkei, weswegen die Mutter ihren Antrag auf ein Umgangrecht außerhalb der türkischen Unterrichtzeiten umstellte.

Ursprünglich hatte das Familiengericht im Dezember 2011 eine internationale Zuständigkeit in diesem Fall bejaht und den Umgang innerhalb der türkischen Schulferien im Januar und August/ September angeordnet, hiergegen ging der Kindesvater nun vor.

Der Familiensenat hat die Beschwerde des Kindesvaters als statthaft und zulässig empfunden und das Urteil des Amtsgerichtes Stuttgart aufgehoben, da dieses für eine solche Entscheidung nicht zuständig war, da durch den Umzug in ein Nicht-EU Land (Türkei) keine internationale Zuständigkeit mehr vorlag.

Rechtsgrundlage war hierfür das Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 05. Oktober 1961 (MSA). Regelungen der EU, wie sie vom Amtsgericht Stuttgart angewandt wurden, fanden dagegen keine Anwendung, da diese nur bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes eines Kindes in einen EU-Mitgliedsstaat gelten und das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort nachweislich in der Türkei hat. Denn der Aufenthalt des Kindes in der Türkei war hier auf Dauer angelegt und selbst nach 6 Monaten konnte aufgrund des Schulbesuches, des Klavierunterrichtes und dem Besuch eines Schachvereines auf das Vorhandensein sozialer Kontakte geschlossen und eine soziale Integration, welche für einen gewöhnlichen Aufenthaltsort notwendig ist, angenommen werden. Zudem kommt es trotz Rechthängigkeit vor dem Verzug in die Türkei bei dem Beurteilungszeitpunkt nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts und nicht auf den Zeitpunkt der Ausgangsentscheidung an, da dort entschieden werden soll, wo am besten die sozialen und familiären Verhältnisse des Kindes geprüft werden können.