Enkelunterhalt ist erst dann möglich, wenn beide Eltern nicht leistungsfähig sind

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.10.2012
Az.: II-6 WF 232/12

Die Parteien streiten um Enkelunterhalt. Die Antragsteller sind 6, 9 und 11 Jahre alt und leben im Haushalt der Kindesmutter. Der Kindesvater lebt von der Familie getrennt und kann aufgrund einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht den gesamten Kindesunterhalt zahlen. Die Kindesmutter ist ebenso nur geringfügig beschäftigt. Im Juni 2012 beantragten die Antragsteller beim Amtsgericht Paderborn Unterhalt von ihrem Großvater väterlicherseits.
Der Antragsgegner lehnte eine Zahlung ab und begründete dies damit, dass Großeltern erst dann zur Unterhaltszahlung verpflichtet werden könnten, wenn beide Eltern den Kindesunterhalt im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit den Mindestunterhalt für ihre Kinder nicht leisten können.
Das Amtsgericht Bochum hat den Antrag abgelehnt, wogegen die Antragsteller vor dem OLG Hamm Beschwerde einlegten.

Das OLG Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichtes Paderborn bestätigt.
Eine Unterhaltspflicht der Großeltern ist zwar gemäß § 1607 Abs. 1 BGB möglich, allerdings haften Großeltern gemäß § 1606 Abs. 2 BGB nachrangig nach den Eltern des Kindes. Eine Unterhaltspflicht ist also erst dann gegeben, wenn beide Elternteile nicht leisten können. Dies betrifft auch den Elternteil, bei dem die Kinder leben und kann für diesen die Obliegenheit einer gesteigerten Erwerbstätigkeit zur Folge haben. Die Obliegenheit einer gesteigerten Erwerbstätigkeit entfällt nur dann, wenn sie aus Gründen des Kindeswohls unzumutbar ist.
Die Antragsteller konnten in diesem Fall nicht darlegen, dass eine durchgehende persönliche Betreuung erforderlich sei, insbesondere, da das jüngste Kind inzwischen bereits 6 Jahre alt ist und einer mindestens halbtätigen Erwerbstätigkeit somit nichts entgegensteht.

Hintergrund:
Gegenüber minderjährigen Kindern besteht gem. § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Dies bedeutet, dass die Eltern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft. Sie können deshalb dazu verpflichtet sein, in zumutbaren Grenzen einen Orts- oder Berufswechsel vorzunehmen, um ihre Unterhaltsverpflichtung erfüllen zu können. Nach der Rechtsprechung des BGH müssen sie alle zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen und sind auch zur Annahme von Tätigkeiten für welche sie überqualifiziert sind und zur Leistung von Überstunden und der Annahme von Nebentätigkeiten verpflichtet (OLG Dresden, Urteil vom 16. 2. 2005 Az. 22 UF 22/05).
Geschieht das nicht, so sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit fiktive Einkünfte anzurechnen, die die Unterhaltsverpflichteten durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnten.