Demenzerkrankung bei Eheschließung führt nicht zwingend zur Zwangsscheidung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2012
Az.: XII ZR 99/10

Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Eheschließung.
Der Antragsgegner und die Antragsgegnerin waren seit 1973 partnerschaftlich verbunden. Vor der Eheschließung im Jahre 2004 war der Ehemann aufgrund eines Demenzverdachtes zunächst in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt untergebracht und wurde anschließend in ein spezialisiertes Seniorenheim verlegt. Danach kehrte er in sein Wohnhaus zurück, wo er häuslich durch seine damalige Partnerin und jetzige Ehefrau gepflegt wurde. Zusätzlich war seine Partnerin auch als Betreuerin des Mannes bestellt. Die standesamtliche Trauung des betroffenen Ehepaares fand im heimischen Schlafzimmer statt, nachdem das Paar bereits seit über 30 Jahren zusammen gelebt hatte.
Die Nichte des Ehemannes hat diese Eheschließung jedoch angefochten, da sie der Auffassung ist, ihr Onkel sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits nicht mehr geschäftsfähig gewesen.

Begründung:
Der Bundesgerichtshof entschied sich gegen eine Aufhebung der Ehe.
Das Gericht sah, dass die Aufhebung der Ehe aufgrund schwerer Nachteile für die Ehefrau im Sinne von § 1316 Abs. 3 BGB nicht geboten war, da es eine schwere Härte für diese darstellen würde.
Beide Parteien lebten nämlich bereits seit fast 8 Jahren in ehelicher Gemeinschaft. In dieser Zeit hatte sich vor allem die Ehefrau um die häusliche Pflege ihres Ehemannes gekümmert. Das Gericht sah, dass gerade ein solches Verhalten ein typischer Ausdruck der gelebten ehelichen Solidarität in Verantwortungsgemeinschaft zueinander sei. Die Ehefrau bekennt sich weiterhin zu dieser Ehe, eine Eheaufhebung würde für sie und ihren Ehemann daher die Entziehung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlage bedeuten. Somit überwog in diesem Fall das Eheerhaltungsinteresse gegenüber dem staatlichen Ordnungsinteresse. Zudem war auch die Standesbeamtin bei der Schließung der Ehe über deren besondere Umstände und mögliche Umstände informiert. Daher durfte die Ehefrau auf die Rechtmäßigkeit der Eheschließung vertrauen. Die Aufhebung der Ehe hätte daher für beide Ehegatten eine schwere Härte dargestellt.